Trauerarbeit kann viele Gesichter haben

Heute vor einem Jahr mussten wir unseren geliebten Kater einschläfern lassen. Er hat mich bzw. uns über 14 Jahre lang begleitet. Es war eine so schöne gemeinsame Zeit und ihn ziehen zu lassen war unglaublich schwer. Mir war vorher schon bewusst gewesen, wie wichtig mir das kleine Fellknäuel ist, aber welche riesige Lücke er hinterlassen hat, wurde mir erst richtig bewusst, als plötzlich die Wohnung so leblos war und ich nach und nach verstanden habe, dass er nicht wiederkommen wird.

Ich habe in dem vergangenen Jahr nicht nur getrauert, sondern bin auch gewachsen, ich habe sehr viel über mich gelernt. Ich bin sehr froh, dass ich damals nicht gewusst habe, wie viel Kraft die Verarbeitung kosten wird und – das habe ich erst mit der Zeit erkannt – der Prozess vielleicht nie abgeschlossen sein wird. Das Loch, das er hinterlassen hat, wird wohl bleiben und das ist okay.

Zwei handwerkliche Projekte haben mir bei der Verarbeitung des Verlustes geholfen: Ich habe in den letzten Monaten ein Fotoalbum mit Fotos von seiner Geburt bis zur Tierurne gestaltet. Bestellt habe ich das personalisierte Fotoalbum bei „Bausatz Buch„. Die Arbeit an dem Fotoalbum, das Sortieren, Zuschneiden und Einkleben der Fotos hat mir geholfen, mich an all die schönen gemeinsamen Momente zu erinnern. Im hinteren Teil des Fotoalbums habe ich die Fotos mit all seinen Krankheiten gesammelt zusammengefasst. Angefangen mit dem Verlust des Vorderbeins im Alter von 6 Monaten, über Blasenprobleme, Zysten … der kleine Kerl musste schon viel mitmachen. Besonders bei diesen letzen Fotoalbumseiten, auf denen weder der Kater noch wir glücklich aussehen, war ich froh, dass der Mann die Kraft hatte, diese Seiten zu gestalten. Mir fällt es aktuell noch schwer, diese anzuschauen. Das Fotoalbum an sich möchte ich nicht auf meinem Blog zeigen. Ihr müsst euch jetzt einfach ein mit Stoff bezogenes, personaliseirtes Fotoalbum mit geprägtem Namen, Geburtsdatum und Todestag vorstellen.

Rückseite mit Filz

Als das Fotoalbum fertig war, habe ich gemerkt, dass ich noch nicht fertig mit meiner Verarbeitung der Situation bin, und wollte gerne noch etwas Handwerkliches machen, das mich an den Kater erinnert. Ich hatte etliche Ideen, aber keine hat sich richtig angefühlt, bis ich auf die Idee mit dem Handsticken kam.

Mein erstes Motiv, den süßen Hasen, habe ich euch vor kurzem gezeigt. Bis ich mich dann an das Motiv ran getraut habe, um das es geht, habe ich noch zwei weitere Motive gestickt, diese zeige ich euch in den nächsten Wochen.

Nun zurück zum eigentlichen Motiv: Mir war von Anfang an klar, dass ich kein klassisches Katzenmotiv haben möchte. Ich wollte ein Erinnerungstück für die Wohnung, dass für Besucher einfach nur ein Stickmotiv ist und mein „Geheimnis“ bleibt, dass sich dahinter Trauerarbeit versteckt. Ich habe zunächst mit verschiedenen Blumenmotiven rumprobiert, aber das hat mir in dem Zusammehang überhaupt nicht gefallen. Dann habe ich entdeckt, dass es kreative Leute im Netz gibt, die die Spotify-Musikcodes auf Stoff sticken und sich diese Codes dann einscannen lassen. Das funktioniert wie bei QR-Codes und das Musikstück startet dann automatisch. Da mir Musik sehr geholfen hat bei der Verarbeitung, wollte ich unbedingt einen solchen Code in meinem Motiv haben.

Bei der Suche nach Inspriration bin ich auf Etsy auf das Stickmuster „Courage Dear Heart“ von TaylorMadeNW, sowie „Plant Mom“ von Girl Got Thread gestoßen und dann endlich hatte ich die Idee. Ich kombiniere den Rahmen aus dem einen Stickmotiv, mit der Frau aus dem anderen Motiv, dem Spotify Code und einer Zeile aus einem Songtext -> die Kombination hat sich richtig angefühlt. Das Motiv ist eine Frau (ich), die am Fenster sitzt, an ihren Kater denkt und Musik hört. Die Idee zu den Kopfhörern hatte der Mann.

Ich konnte bzw. wollte keine Zeile aus dem eigentlichen Song nehmen, da dieser so traurig, ist, dass ich da nicht ständig dran erinnert werden möchte. Den Songtext, den ich dann für den Text verwendet habe, stammt daher aus einem anderen Song, aber passt sehr gut zu meinen Gefühlen. Damit stand die Idee fest, aber ich musst erst noch einiges lernen, bevor ich mit dem Sticken beginnen konnte.

Zunächst hab ich mir fürs iPad die Procreate App gekauft, mir einen iPencil (Stift fürs iPad) ausgeliehen und mich da reingefuchst, so dass ich alle einzelnen Komponenten in der richtigen Größe digital umsetzen konnte. Praktisch fand ich, dass ich gleich die Farben vom Stoff sowie meine Garne dort verwenden konnte und sehen konnnte, wie es wirkt. Als Schriftfarbe habe ich mir seine Fellfarbe ausgesucht, der Hintergrund in Dunkelblau ist meine Lieblingsfarbe und auch die restlichen Farben findet man viel bei mir.

Bei meinen anderen Stickprojekten hatte ich schon festgestellt, dass mir das Abzeichnen von Motiven eher schwer fällt und so habe ich das Motiv auf bedruckbarem Stickvlies ausgedruckt. Das hat sehr gut geklappt. Auch das Auswaschen am Ende hat ohne Probleme funktioniert. Als Stoff habe ich einen Seidenstoff verwendet. Das Sticken darauf war herausfordernd, da die Seide sehr dicht gewebt war und nach ein paar Stichen wurde das Garn flauschig und war nicht mehr so glatt. Ich musste ein paar Experimente machen und schlussendlich kam der Mann auf die Idee, dass ich den Faden durch Bienenwachs ziehen könnte, um diesen robuster zu machen. Das hat gut geklappt. Hier einige meiner Versuche mit unterschiedlichen Stichen und Garnstärken:

Bitte mir zu diesem Projekt keine Tipps schicken, was ich als Stickanfängerin besser machen könnte. Das Projekt ist perfekt so wie es ist.

Anmerkung: Ich habe auf einem Zettel, der auf die Rückseite kommt, welche beiden Musikstücke sich in dem Stickmotiv verstecken. Somit weiß ich auch, falls es Spotify mal nicht mehr geben sollte/die Codes abgeschafft werden, welche Lieder ich damit verknüpfe.

Schnittmuster: Rahmen angelehnt an das Stickmuster „Courage Dear Heart“ von TaylorMadeNW, Motiv mit der Frau aus dem Stickmuster „Plant Mom“ von Girl Got Thread. Schrift = Handschrift, scanbarer Code aus Spotify App
Material: DMC und Anchor Garne, Stickvlies (bedruckbar) + Stickrahmen von EmbroiderySteffi, Seide, Filzstoff für die Rückseite

Unterschrift Muriel

8 Kommentare

  • Anja

    11. Mai 2022 um 11:34

    Was für eine tolle Idee mit der Musik, dem Code und der Textzeile, ich glaube, dass solche Projekte wirklich helfen können, immer wenn ich das jetzt allerdings lese, werde ich selbst ein wenig traurig, weil ich schon ahne, dass die Zeit mit unserer Hündin auch begrenzt ist. Ich denke an dich , lg Anja

    1. Muriel

      11. Mai 2022 um 15:30

      Hi liebe Anja,
      es tut mir leid, ich wollte Dich nicht traurig machen. Ich wünsche Euch noch eine ganz lange und schöne Zeit mit eurer Hündin.
      Ich danke Dir für eine lieben Worte.
      Lieber Gruß,
      Muriel

  • Iris

    11. Mai 2022 um 18:57

    Muriel, das ist einfach wunderschön.
    Und perfekt wenn es für Dich passt.

    Liebe und traurige Grüße

    Iris

    1. Muriel

      12. Mai 2022 um 20:33

      Danke liebe Iris

  • yacurama

    12. Mai 2022 um 13:13

    Danke, dass du uns auf deinem Weg mitgenommen hast es ist seh schön und traurig zugleich.
    Liebe Grüße,
    yacurama

    1. Muriel

      12. Mai 2022 um 20:33

      Danke liebe yacurama

  • Juniper

    27. Mai 2022 um 21:03

    Liebe Muriel, danke dass du auch dieses Projekt mit uns teilst und wir Anteil nehmen dürfen. So wie du es schreibst, ist es einfach nur perfekt.
    Ich hoffe der Schmerz über deinen Verlust wird mit der Zeit kleiner

    1. Muriel

      28. Mai 2022 um 13:33

      Hallo Juniper,

      vielen Dank.

      Lieber Gruß,
      Muriel

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