Ausstellung: „Auf nackter Haut“ – Was Mode und Politik gemeinsam haben

Zur Zeit gibt es im Haus der Geschichte in Stuttgart eine Ausstellung zum Thema Unterwäsche im Lauf der Geschichte mit dem Titel „Auf nackter Haut – Leib.Wäsche.Träume„.

Dank einem Tipp von Ella Wildnaht habe ich von der Tagesveranstaltung „Frei aber nicht haltlos – Was Mode und Politik gemeinsam haben“ erfahren.

Ella und ich waren beide in Köln beim Bloggertreffen bei der hervorragenden Führung im MAKK dabei und ich habe gemerkt, was für einen enormen Unterschied es macht, eine Führung durch eine  Kuratorin zu bekommen. Von dem her war ich gleich Feuer und Flamme von der Idee, eine ähnliche Veranstaltung für die Stuttgarter Ausstellung zu besuchen, und wenn es dann auch noch in netter Begleitung von Frau Wildnaht ist, konnte ich einfach nicht nein sagen.

Die Tagesveranstaltung wurde organisiert von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg – Fachbereich Frauen und Politik.

Nun fragt man sich vielleicht, was hat Mode mit Frauen und Politik zu tun. Dies haben uns Frau Dörr von der Landeszentrale für politische Bildung und Frau Hopfensitz (Kuratorin) gleich zu Beginn auf wunderbare Weise erläutert.

Schön fand ich den Einstieg in die Tagesveranstaltung. Die ca. 20 Teilnehmer/innen wurden zunächst ermuntert, ihr schönstes oder schlimmstes Erlebnis zum Thema Kleidung zu erzählen. Vom Altersspektrum waren von Mitte 20 bis bestimmt 70 Jahren viele Altersklassen vertreten. Die  Geschichten der anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen waren sehr interessant. Von Herren, die noch Leibchen tragen mussten, rosa Kleidchen, welche bei Piratenspielen unwiederbringlich zerstört wurden etc.

Wirkmaschine

Anschließend ging es zur Ausstellung, diese war sehr liebevoll gestaltet, mit vielen Informationen zu den einzelnen Stücken. Die ersten Stücke sind aus dem 19. Jahrhundert und reichen bis ins Jetzt. Es war sehr spannend zu sehen, wie sich durch gesellschaftlichen und politischen Wandel die Unterbekleidung von Männern und Frauen geändert hat.

Bis zum ersten Weltkrieg waren Frauen ohne Korsett nicht denkbar, und das in allen Gesellschaftsschichten. Der Unterschied lag nur in den Materialien für die Korsetts.

Durch die in Frankreich entwickelte Wirkmaschine wurden die Möglichkeiten für Unterwäsche revolutioniert. Neu für mich war, dass Anfang des 20. Jahrhunderts die Männerunterwäsche dekoriert war, u.A. mit Blumen und auch gerne farbig, z.B. rosa war.

Männer-Unterhemden

Baden-Württemberg bzw. damals noch Baden und Württemberg waren damals große Textilstandorte und erst danach wurden diese bekannt für Industrie und Automobile.

Wir haben erfahren, was in eine Aussteuer gehörte, was Abhärtungswäsche war, warum es früher normal war, dass Männer Badeanzüge getragen haben, warum während der 30er-40er Jahre viel Kunstseide (heute Viskose) getragen wurde, dass es in den 50er Jahren spezielle Fernsehkleidung für Frauen gab, seit wann es die Wäschezettel in der Kleidung gibt, dass 70% der Herrenunterwäsche auch heute noch von Frauen gekauft wird und noch vieles mehr.

Insgesamt umfasst die Ausstellung 400 Stücke, welche zum großen Teil eine Leihgabe der Fa. Schiesser als auch von der in Stuttgart bekannten Firma Wilhelm Benger und Söhne sind. Die Vorbereitung für die Ausstellung hat 5 Jahre gedauert.

Nach der informativen Führung gab es noch einen Workshop. Die Kuratorin und ihre Assistentin hatten einige der Stücke der umfangreichen Sammlung für uns herausgesucht. In Zweier-Teams durften wir diese Stücke analysieren und das Ergebnis dann der Gruppe vorstellen. Die historischen Kleidungsstücke waren einzeln mit Seidenpapier(?) eingepackt und diese durften auch nur mit Baumwollhandschuhen angefasst werden. Sehr spannend, diese Stücke aus der Nähe begutachten zu können. Nähtechnisch hat sich in der Zwischenzeit (unser Stück war von ca. 1930 bzw. 1950) nichts geändert – würde man heute auch noch so nähen. Die Zeit ging viel zu schnell rum … ich hätte ohne Probleme noch ein paar weitere Stunden dort verweilen können.

Die Ausstellung läuft noch bis 3. April und ich kann sie jedem nur wärmstens empfehlen. Auch gibt es noch einige interessante Veranstaltungen rund um das Thema Unterwäsche.

Habe mir den Ausstellungskatalog gekauft, dieser ist schön gestaltet und sehr informativ geschrieben.

Vielen Dank an Frau Hopfensitz, ihre Assistentin und Frau Dörr für den interessanten Tag.

Die Kuratorin ist auch für das Miedermuseum in Heubach verantwortlich. Bisher habe ich nur den Flyer gesehen, aber der sieht schon vielversprechend aus. Da möchte ich unbedingt mal hin. Wer weiß, vielleicht klappt es auch, mit ihr eine Führung zu ergattern.

Muriel

Die Bilder der Ausstellung wurden freundlicherweise vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg zur Verfügung gestellt.

8 Kommentare

  • schildkroete

    2. Februar 2016 um 20:51

    Sehr sehr toll, danke für den ausführlichen Bericht. Da würde ich auch gerne hin, aber vermutlich schaffe ich das nicht mehr.
    Herzliche Grüße
    Sabine

  • caro bac

    2. Februar 2016 um 22:51

    Schöne Bilder und sicher eine ganz tolle Ausstellung. Vielleicht. verlängern die Veranstalter noch einmal bis zum Bloggerinnen-Treffen. LG Carola

  • Ella Berg

    3. Februar 2016 um 6:32

    Hach! – genau so war es..so toll..
    Vielen Dank für den ausführlichen Bericht, liebe Muriel!
    Liebe Grüße,
    Ella (wildnaht)

  • Anonym

    3. Februar 2016 um 7:37

    Wunderschöner Bericht, vielen Dank! Weil Du es angesprochen hast, hätte ich noch zwei Fragen: Was gehörte denn in eine Aussteuer? Was hat es mit den Wäschezetteln auf sich?
    Viele Grüße,
    Katharina

    1. Muriel

      3. Februar 2016 um 11:44

      Hi Katharina,
      auswendig weiß ich nicht mehr welche Aussteuerstücke dabei waren. Es waren auf jeden Fall eine Menge und alle so gestaltet, dass diese zeitlos waren. Es wurde davon ausgegangen, dass man diese Stücke Jahrzehnte lang verwendet.
      Die Wäschezettel kamen erst mit der Verbreitung der Waschmaschine auf – wenn ich mich recht erinnere war das in den 60er/70er Jahren. Vorher gab es keinen Unterschied zw. 30°C, 40°C etc. Wäsche musste "mangelbar" sein und sollte höhere Temperaturen aushalten. Dank der Waschmaschine konnte schonender sauber gewaschen werden.
      Lieber Gruß,
      Muriel

  • Bele

    5. Februar 2016 um 9:03

    Vielen Dank für den Tipp mit dem Katalog! Den muss ich direkt für unsere Bibliothek bestellen. Zur Ausstellung selber werde ich es vermutlich nicht mehr schaffen, was ein Jammer ist, nachdem du uns hier wirklich Lust darauf gemacht hast.
    Zu den Wäschezetteln: Ich nehme an, dass damit die Deklaration der Textilien gemeint ist, die in der BRD mit dem "Textilkennzeichnungsgesetz" geregelt wurde. Dieses trat im September 1970 in Kraft, ist inzwischen aber durch eine Europanorm abgelöst. Ich liebe dieses Gesetz! Es erleichtert mir (Dank einer hohen Verlässlichkeit der Angaben) meine Arbeit bei der Materialanalyse enorm.

    Wenn man genauer hinsieht, wird man feststellen, dass Mode schon immer viel mit Politik (und mit Frauen!) zu tun hatte. Unter anderem das macht die Beschäftigung mit dem Thema ja so spannend.

    LG, Bele

    1. Muriel

      5. Februar 2016 um 11:07

      Hi Bele,
      danke für die Info zu den Wäschezetteln.
      Lieber Gruß,
      Muriel

  • Podcastepisode Nr. 16 mit Elke/Bele über die Ausstellung “Look! Fashiondesigner von A bis Z” – Nahtzugabe5cm.de

    30. Juni 2018 um 18:37

    […] Bericht über die Ausstellung “Auf nakter Haut” […]

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